Das Kriegsende in Asel

 

05./06.04.1945

 

Die alliierte Westfront rückte immer näher. Die Weser war kein Hindernis mehr und wurde überquert. Hameln musste von den Resten der deutschen Wehrmacht aufgegeben werden.

 

Die HAZ schreibt dazu unter "Zeitzeichen": "Mit der angeblichen Wunderwaffe, die nach Darstellung der Nazipropaganda die Wende und den Endsieg bringen soll, ist es vorbei. An diesem Donnerstag werden die Angriffe mit V 2- Raketen eingestellt."

Und weiter heißt es: "Amerikanische Truppen setzen südlich von Hameln über die Weser, lassen die Stadt jedoch zunächst links liegen. Weiter nördlich sprengen deutsche Kommandos die Weserbrücke bei Stolzenau...- Die letzte bemerkenswerte Tat des hannoverschen Gauleiters Lauterbacher ist ein Aufruf mit dem Kernsatz "Lieber tot als Sklav": Lauterbacher setzt sich nach Süddeutschland ab.

 

06.04.1945: Bei Petershagen, nördlich von Minden setzt eine britische Luftlande-Division über die Weser. Zu einem Gegenangriff bei Stolzenau treten 2 SS-Kompanien an.  Sie können die Briten kurzzeitig aufhalten.

 

In Asel zog man die älteren Männer, die im Dorf verblieben waren und für die Front nicht mehr geeignet erschienen, also nicht KV, d.h. kriegsverwendungsfähig waren zusammen. Sie mussten nachts Streife gehen und wurden als Wachen eingeteilt. Es bestand ja immer noch absolutes Verdunkelungsgebot. Als Bewaffnung erhielten sie Pistolen. Äußerlich erkennbar trugen sie eine Armbinde.

 

Um die Amerikaner im Raum Hildesheim aufzuhalten, sprengten deutsche Spezialkommandos die Kanalbrücken. Ob man glaubte, mit dieser Maßnahme den Vormarsch der Amerikaner stoppen zu können?

 

In Asel bereiteten sich die Volkssturmmänner nunmehr auf die Verteidigung des Ortes vor. Aus diesem Grund wurden sie mit veralteten belgischen bzw. holländischen Karabinern und ein paar Schuss Munition ausgerüstet. Als Verteidigungslinie hatte man den Bahnkörper der Eisenbahnstrecke Hildesheim/Lehrte im Bereich Asel ausgemacht. Mein Vater war auch dabei. Ich erinnere mich noch genau, wie er sich verabschiedete. Zum Essen kamen sie allerdings nach Haus.

 

Da wir Kinder neugierig waren, schauten wir uns dies Verteidigungsvorhaben ganz aus der Nähe an. Die Volkssturmmänner sahen das aber nicht gern und schickten uns wieder nach Haus. Man sagte uns, "geht nach Haus, der Feind kommt".

 

Mich beschäftigte die Frage nach der Verteidigung, besonders das Warum. Vater sagte mir (musste er wohl sagen), wenn die Soldaten kommen und uns alles nehmen wollen, dann müssen wir uns doch verteidigen. - Meine Gedanken aber waren die: Was sollen die uns wegnehmen? Die kommen und gehen, denn die wollen ja auch mal wieder nach Haus. Wir aber bleiben hier.

 

Diese Aktion dauerte nur wenige Tage. Die regulären Verteidigungsverbände der stark zusammengeschrumpften Reste der deutschen Wehrmacht zogen sich immer weiter zurück. Sie erreichten auf ihrem Rückzug inzwischen auch unser Dorf Asel und verstärkten den Volkssturm.   

 

07.04.1945: Die HAZ schreibt aus der Erinnerung: "Hameln, Stadthagen, Wunstorf, Hoya und Hildesheim werden besetzt. In Lüneburg kommt es zur "Tragödie KZ-Zug". Bomber greifen den Güterbahnhof an. Ein Zug mit rund 400 Häftlingen steht auf Gleis 31. Mehrere Bomben treffen den Zug. Ein Augenzeuge sieht "sehr viele Tote". Bewacher erschießen Häftlinge, die vor Bomben weglaufen".

 

In unserem Bereich erreichen die Amerikaner inzwischen die Orte westlich des Osterberges und der Giesener Berge (Emmerke, Rössing und Giesen). Mit ihren Panzern beziehen sie Stellung im Bereich Osterberg und Giesener Berg. In dieser Zeit befanden sich aber immer noch Soldaten der deutschen Wehrmacht auf dem Flughafen in Hildesheim.

 

Franz Hogrefe erinnert sich:

Kurz vor der "Übergabe" beschossen Jabo`s (Jagdbomber) der Amerikaner das Flughafengelände in der Vermutung, dass von dort Widerstand zu erwarten sei. Die dort noch vorhandenen Soldaten suchten Schutz in der Umgebung u.a. auch in Richtung Asel. Am Bahnkörper trafen sie zusammen, um im Notfall Schutz unter den Brücken zu finden. Einige kamen auf dem Mühlenweg in Richtung Asel gelaufen. Bei solchen Fluchtbewegungen wurden sie aus der Luft von Jabo`s beschossen. Es gab Verwundete.

 

Die Amerikaner bereiteten ihren Vormarsch systematisch und strategisch überaus sensibel vor. Vermutete "Widerstandsnester" schaltete man aus der Luft durch die Unterstützung der Jabo`s aus. Sie reduzierten das Risiko der Verwicklung in Bodenkämpfe auf ein Minimum. Auf diese Weise machten die auch die Mannschaft mit samt ihrem 8,8-Geschütz, das sich am Ortsausgang von Himmelsthür befand, unschädlich.

 

Hinsichtlich der verwundeten deutschen Soldaten erinnert sich Therese Mock, geb. Thiem:

Ich war damals als Rot-Kreuz-Schwester ausgebildet und dabei, als die durch Beschuss verwundeten Soldaten in der Aseler Schule notdürftig untergebracht und ebenso notdürftig versorgt wurden. Betten standen dort nicht zur Verfügung. Wir bekamen Stroh vom Bauern Engelke, und auf Stroh wurden die Verwundeten gelagert. Schwer verwundete Soldaten fuhren wir mit Pferd und Wagen nach Harsum ins Lazarett. Das frühere Kloster war als Lazarett eingerichtet. Heute befindet sich dort ein Altersheim. Ein Soldat, dem das Bein zerschossen worden war, verblutete auf dem Weg ins Lazarett und starb. Es war furchtbar.

 

Die Verteidigungsfront in Asel bestand nur noch aus wenigen Soldaten. Ich  kann mich erinnern, wie sie in Höhe des Unsinnbaches so genannte "Einmannlöcher" aushoben. Im Abstand von ca. 50 bis 70 m grub sich jeweils ein Soldat ein.

 

Abends kamen einige zu uns ins Haus und baten um ein Stück Brot aber auch um zivile Kleidung. Sie wollten sich offenbar von der "Front" absetzen. Für sie schien das Ende des Krieges unmittelbar bevorzustehen.

 

Unser Dorf mit seiner Umgebung lag in den letzten (3?) Tagen vor der Übergabe unter ständigem Beschuss durch Panzer, die im Bereich des Osterberges und der Giesener Berge Stellung bezogen hatten. Im Abstand von 10 bis 15 Minuten schlugen die Granaten bei uns ein. Das Gebiet zwischen dem Kanal und dem Borsumer Holz wurde systematisch mit Beschuss belegt. Die Distanz wurde immer geringer. Auch im Dorf selbst schlugen Granaten ein. So z.B.

 

im Garten des Bauern Heineke. Dort wurde das Hühnerhaus getroffen. Wie es nach der Explosion im Hühnerstall aussah, wird sich jeder vorstellen können.

Weiterhin erhielt die Scheune des Bauern Engelke einen Treffer. Die Spuren sind noch heute sichtbar.

50 m von unserem Haus -im heutigen Eschenweg- schlug ebenfalls eine Granate ein, und zwar in einer Hecke. Unser Haus bekam zahlreiche Granatsplitter ab. Fensterscheiben gingen zu Bruch und Fenster und Türen wurden beschädigt. Dass wir im Keller vor Angst zitterten, kann sich sicher jeder vorstellen.

Weiterhin schlugen Granaten im Stallgebäude des Bauern Algermissen ein, in seiner Obstwiese und auf seinem Acker.

Heinrich Köhler (aus dem Haus Ecke Grafenstraße/Westernstraße) fand nach dem Beschuss einen Blindgänger im Garten und mied bis zur Beseitigung die unmittelbare Nähe.

 

Diese Granaten -das erzählte mein Vater mir- besaßen einen Aufschlagzünder. Sobald sie auf einen Gegenstand trafen, explodierten sie mit einer extrem hohen  Splitterwirkung. "Schrapnellgranaten" nennt man sie. Erdtrichter gab es daher kaum, wenn sie im freien Gelände aufschlugen. Es waren lediglich Explosionsdellen zu sehen.

 

In den Tagen, in denen wir unter Beschuss lagen, hielten wir uns überwiegend im Keller auf. Im Keller schliefen wir auch, wenn an Schlafen überhaupt zu denken war.

 

Die Ereignisse überstürzten sich in diesen Tagen.

 

Mia Brenneisen, geb. Eckstein erinnert sich:

Am 07.04.1945 nahmen die Amerikaner Hildesheim ein. Mein Vater war als Volkssturmmann verpflichtet. Er sollte in Hildesheim eingesetzt werden. Da er aber behindert war, er hatte sich verletzt, kam er nicht zum Einsatz. Trotz der leichten Behinderung spielte er in der Aseler Kirche im Hochamt die Orgel. Ein Aseler Bürger, der der Partei offenbar nahe stand, zeigte ihn (Lehrer Eckstein) an. In Drispenstedt, an der "Brabandschen Mauer" sollte er als "Kriegsdienstverweigerer" erschossen werden. Ein glücklicher Umstand verhinderte die Exekution.

 

Der 07.04.1945 muss ein Sonnabend gewesen sein, der Tag vor dem "weißen Sonntag". Für die Kommunionkinder war Beichte angesetzt.

 

Marie Martin, geb. Gue erinnert sich:

Ich gehörte zu den Kindern, die am Weißen Sonntag zur ersten hl. Kommunion gehen sollten. Am Samstag war nachmittags Beichte angesetzt. Wir  Kommunionkinder hatten uns alle in der Kirche versammelt. Pastor Pagel hatte gerade mit dem "Beichte-Hören" angefangen. Da kam der Bauer Engelke in die Kirche gelaufen und rief: "Sofort aufhören, alle nach Haus und in die Keller, die Tiefflieger kommen und schießen!"

Pastor Pagel brach sofort die Beichte ab. Wir aber liefen so schnell wir konnten nach Haus.  

 

Josef Ernst bestätigt diese Aussagen.

 

Der Tag der Erstkommunion wurde um eine Woche verschoben.

 

Die Soldaten, die Asel verteidigen sollten, der Volkssturm inbegriffen, leisteten keinen Widerstand. Der Bauer Algermissen glaubte indessen, -es war Samstag, der 07.04.1945- es sei nun wohl die Zeit gekommen, die weiße Fahne als Zeichen der widerstandslosen Ergebung zeigen zu müssen. Er tat das dann auch. Ein junger Leutnant, so wird erzählt, soll daraufhin mit der Erschießung des Bauern gedroht haben, falls er nicht unverzüglich die weiße Fahne einholen würde. -Am nächsten Tag war kein Leutnant mehr da, und seine Soldaten hatten sich auch abgesetzt. Von uns bekamen einige Soldaten zivile Kleidung, um nicht als solche erkannt zu werden. Ob sie trotzdem in Gefangenschaft geraten sind, ist unbekannt. Ebenso unbekannt ist, ob sie als Zivilisten unerkannt zu ihren Familien gelangten. Für sie war auf jeden Fall der unselige Krieg endgültig aus.

 

08.04.1945 Die Amerikaner kommen!  

Am Morgen des 08.04.1945 kamen die amerikanischen Soldaten teils zu Fuß und im Schutz von Schützenpanzern, teils in Jeeps aus Richtung Harsum auf unser Dorf zu.

 

Frau Sydow erinnert sich:

Der Bürgermeister Heineke (vermutlich auch Herr Franz Kracke in Begleitung des Bürgermeisters) ging den Amerikanern mit einer weißen Fahne in der Hand entgegen und übergab unser Asel widerstandslos. Denn Widerstand gab es nicht, -es war niemand mehr da, der Asel hätte verteidigen können.

 

Marie Martin, geb. Gue erinnert sich.

Es war Sonntagmorgen, ich kann mich noch genau erinnern. Da kamen die Amerikaner aus Richtung Harsum auf unser Dorf zu. Herr Heineke ging mit noch jemandem den Amerikanern mit einer weißen Fahne entgegen und übergab das Dorf kampflos. Zuvor hatten wir alle auf dem Kuckucksberg eine weiße Fahne aus dem Fenster gehängt, als Zeichen der Ergebung.

 

Die Fußtrupps der Amerikaner kamen unter kriegsbedingten Einsatzvorgaben mit dem Sturmgewehr im Anschlag und in Schützenreihe auf unser Dorf zu. Vor dem Dorf teilten sie sich in verschiedene Stoßtrupps auf.

 

Reinhold Köhler erinnert sich:

Die ersten amerikanischen Soldaten, an die ich mich erinnern kann, kamen aus Richtung Harsum am Bach entlang. Wir Kinder hielten uns auf der Straße auf. Wir waren außergewöhnlich neugierig. Die Gruppe der Soldaten wurde von einem Verantwortlichen angeführt. Er sprach gut deutsch und sagte uns, "Kinder, geht nach Haus, der Krieg ist noch nicht aus".

 

Die ankommenden Soldaten hoben an strategisch wichtigen Punkten im Dorf "Schützenlöcher" aus und suchten darin Schutz. Ständige Begleitung hatten sie ja aus der Luft. Jagdflugzeuge überwachten den Luftraum und brachen jeden Widerstand, wenn er sich zeigte. Wir Kinder sahen das alles nicht so dramatisch wie unsere Eltern oder andere Erwachsene und schauten dem Treiben der Amerikaner zu. Einige Erwachsene warnten uns und forderten uns auf, nach Haus zu gehen. "Wenn die Euch erschießen, ist es zu spät." Wir allerdings machten uns nichts daraus und meinten, "die tun uns nichts, warum sollten die auf Kinder schießen?".....

In den folgenden Tagen fanden überall und systematisch  Hausdurchsuchungen statt. Gesucht wurde nach versteckten deutschen Soldaten, nach Waffen und anderem Kriegsgerät. Aber auch Symbole der nationalsozialistischen Machthaber suchten sie und nahmen sie als kleine Mitbringsel (Souvenirs) an sich. Später baten sie uns um solche Dinge. Begehrt waren vor allem Parteiabzeichen, Bücher wie "Mein Kampf", Jungvolk- oder Hitlerjugend-Ausrüstungsgegenstände wie Fahrtenmesser, Abzeichen und ähnliche Dinge. Wichtig schien ihnen nur, es mussten Hakenkreuze zu sehen sein.

 

Bei den Hausdurchsuchungen fanden sie auch teilweise Kriegsgerät aus dem ersten Weltkrieg wie alte Degen, Seitengewehre und Helme. Sie nahmen auf jeden Fall erste einmal  alles mit. Wenn Pistolen, selbst Luftgewehre gefunden wurden, nahmen sie auch gleich den Besitzer mit. Nach ein paar Tagen und sicherlich intensiven Verhören, ließ man sie wieder frei. 

 

Unser Dorf war in den ersten Wochen mit einer Ausgangssperre belegt. Nach 09.00 abends durfte sich niemand mehr auf der Straße sehen lassen. Einige Familien mussten auch noch ihre Häuser räumen. So wurde auch Lehrer Eckstein  ausquartiert, sie mussten in die Schule umziehen und vorübergehend auf Stroh schlafen. Andere Familien wiederum kamen bei Verwandten oder Bekannten unter.

 

Die örtliche Befehlsstelle war im Lehrerhaus untergebracht (nach Meinung anderer Zeitzeugen soll die Befehlsstelle auf dem Hof Heineke untergebracht gewesen sein) und die Verpflegungsstelle mit Küche usw. in der Scheune der Gastwirtschaft Wahrhausen. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wir Kinder wunderten uns nämlich sehr über die Wegwerfgewohnheiten der Besatzer. Fleisch- und Essensreste die durchaus noch verwertbar gewesen wären, warfen sie in die Grube, die sie hinter dem Baumbestand des Springberges (hinter dem Brunnen also) ausgehoben hatten.


An eine andere Begebenheit erinnert sich Frau Sydow:

Nachdem die Amerikaner eingerückt waren, kam eines Tages ein Soldat zu mir, der sich als Arzt vorstellte. Er bat mich um Eier, und wollte sie auch bezahlen. (Fam. Sydow wohnte im Haus Hartmann.) Da ich aber keine Hühner hielt, so Frau Sydow, konnte ich ihm den Wunsch auch nicht erfüllen. Ich sagte ihm aber, dass er morgen wiederkommen sollte, ich wollte welche besorgen. Vom Bauern Engelke bekam ich dann auch einige Eier und wartete nun auf den Amerikaner. Ob er wohl wieder kommt?  ... Und tatsächlich, wie verabredet stand er Tags darauf vor der Tür, um die Eier zu holen. Natürlich wollte er sie nicht umsonst, sondern bezahlen. Ich sagte ihm: "Mit dein Gelle kann eck nix anfangen, dat kann eck nich briuken." Ob er das verstanden hat, weiß ich nicht. Er gab mir dann allerdings anstatt Geld Schokolade. Damit die Kinder -die freuten sich natürlich über die Leckereien- nicht alles auf einmal aßen, versteckte ich einige Tafeln. Bei einer späteren Hausdurchsuchung wurde die Schokolade dann vom Suchtrupp gefunden. Ich hatte das Versteck völlig vergessen. Das Theater war aber groß, denn es handelte sich ja um amerikanische Schokolade, die Aufschrift verriet alles. Vor den Augen der Soldaten mussten wir die Schokolade probieren, den Rest nahmen sie mit.

 

Wenn eine Hausdurchsuchung stattfand -meist war es in der Dunkelheit-, wurde das Haus umstellt und von allen Seiten mit Scheinwerfern angestrahlt. Man wollte sicher sein, dass niemand das Haus verließ oder hineinging. Wenn Vieh zu versorgen war -in den meisten Fällen handelte es sich um Schweine, Ziegen und Hühner, verständigte man sich mit "Händen und Füßen". Begleitung seitens der Amerikaner war immer dabei. Das galt vor allem für Leute, die ihr Haus verlassen mussten und vorübergehend es den Amerikanern überlassen mussten.

 

Frau Heineke erinnert sich:

Für die Amerikaner lag das Haus der Gärtnerei Heineke offenbar an idealer Stelle. Strategisch konnten sie sich nichts Besseres wünschen. Denn von hier konnte man den Raum nordöstlich von Hildesheim wunderbar einsehen. Das war sicherlich auch der Grund dafür, dass Familie Heineke das Haus verlassen musste. Für ca. 14 Tage zogen die Amerikaner ein. Bei Heinekes gab es aber ein Problem: Im Keller brütete eine Glucke Eier aus, und um die musste man sich ja kümmern. Bei der Nachschau waren dann auch die neuen "Besatzer" immer dabei. Als dann eines Tages die ersten Küken schlüpften, freuten sich die sonst so hart gesottenen Soldaten wie kleine Kinder. Riesengroße war die Freude bei ihnen; denn offenbar hatten sie so etwas noch nicht gesehen.

 

Eine andere Begebenheit:

Während der Zeit der "Hausbesetzung" wohnten Heinekes vorübergehend in Harsum.

Frau Heineke:

Ich fuhr fast täglich mit dem Kinderwagen -die erste Tochter war noch klein- von Harsum nach Asel und zurück. Eines Tages ließ sich der Wagen nur noch sehr schwer schieben. Ich sagte meinem Vater, er möge doch mal nachschauen, und u.U. die Räder ölen. Beim Nachschauen entdeckte Vater unter der Matratze eine nicht gerade kleine Menge Apfelsinen. Seitens der Amerikaner war dies als "Dankeschön" gedacht. Das war doch eine nette Geste, oder ?...

 

Frau Sydow erinnert sich an eine skurrile Begebenheit:

Einer der Suchtrupp-Soldaten fand eine Flasche Wein oder Likör von der er glaubte, dass sei für einen Frontsoldaten genau das Richtige. Die Flasche enthielt eine rote Flüssigkeit und war durchaus geeignet, eine Flasche Wein oder Likör vorzutäuschen. Vor lauter Übermut entkorkte er sie und probierte mal einen Schluck. Das war dann aber auch schon das Ende der Freude über den glücklichen Fund. Er setzte die Flasche ganz schnell ab, fing an zu fluchen und zu schimpfen und veranlasste Herrn Sydow, der in der Nähe war, den Rest der Flasche auszutrinken. Denn in der Flasche befand sich weder Wein noch Likör, sondern flüssige Seife. Dem Herrn Sydow  wurde sofort schrecklich übel, musste sich übergeben und erbrach den Mageninhalt bis die letzten Spuren der Seife den Magen verlassen hatten.

 

Schon in den ersten Tagen der Besatzung ging es wie ein Lauffeuer durchs Dorf. "In Steuerwald, am Wasserhafen gibt es Mehl, Zucker und Palmin." Da die Versorgung von Grundnahrungsmitteln in dieser Zeit völlig zusammengebrochen war, empfanden wir es als eine Wohltat, Lebensmittel auf diese Weise kostenlos zu bekommen.

 

Bei dem Vorratslager am Wasserhafen handelte es sich um ein Lebensmitteldepot, das angelegt worden war, um die Notzeitbewirtschaftung sicher zu stellen. Meine Mutter hatte Angst, mich allein ziehen zu lassen, darum ging eine Frau aus unserem Haus mit. Wir nahmen unseren "blauen Handwagen" und zogen los. Auf zum Wasserhafen. Auf dem Weg dorthin sahen wir dann zum ersten Mal in unserem Leben farbige Amerikaner. Sie fuhren mit ihren Lkw und Jeeps zwischen dem Flughafen und Drispenstedt hin und her, ließen ihre Beine aus dem offenen Fenster des Führerhauses baumeln, kauten unentwegt auf etwas herum -später erfuhren wir, dass es sich um Kaugummi handelte- und amüsierten sich.

 

Ja, und im Lager angekommen, hatten wir es nicht ganz leicht, durch die Menschenmassen hindurch zu kommen, die ebenfalls um der Lebensmittel willen gekommen waren. Und dann: Wie sollten wir die schweren Säcke -denn es handelte sich jeweils um einen Doppelzentner- auf unseren kleinen Handwagen bekommen? Mit vereinten Kräften schafften wir beide es dann doch noch und zogen froh und glücklich über unseren Erfolg nach Haus. 

Meine Eltern freuten sich riesig. Konnten wir uns doch nun zusätzliche Dinge leisten.

 

Das Lager am Wasserhafen war aber nicht das einzige in unserer Nähe. In unserem Dorf z.B. lagerten "Hakenkreuz-Fahnen" (offenbar waren sie für den "Endsieg" gedacht) auf dem Saal der Gastwirtschaft Wahrhausen. Obwohl niemand davon wusste, bekamen es die Dörfler doch mit und räumten das Lager. Allerdings ging das diszipliniert vor sich und musste auch bezahlt werden. Auch Wäsche soll dort gelagert worden sein. In den darauf folgenden Wochen und Monaten nähten Mütter für ihre Kinder Röcke und Blusen aus "Fahnentuch", und unsere Mädels im Dorf trugen fast alle in unterschiedlichen Ausführungen Kleidung in rot.

 

Kochtöpfe und Pfannen aus Aluminium lagerten in den Räumen der alten Molkerei. Diese wurden dann auch abgegeben, allerdings geordnet, so dass jeder etwas bekam.

 

Im Nachbarort Harsum lagerte in den Schuppen der alten Ziegelei Seife in verschiedenen Variationen: Kernseife, Schmierseife, Rasierseife und Schwemmseife. An "Schwemmseife" kann sich sicherlich kaum noch jemand erinnern. Es handelte sich um eine Seife von geringem Gewicht, die auf dem Waschwasser schwamm. Die Kunde von dieser Seifenfülle verbreitete sich wie ein "Lauffeuer". Wir versorgten uns - das kann sich jeder denken - reichlich mit dem, was wir dort vorfanden. Sicherlich war es viel zu viel, was wir hamsterten. Aber zum Tauschen benötigten wir eben diese Dinge. Denn die große Tauschaktion sollte erst noch beginnen. Niemand hatte ja alles gleichzeitig. So kamen Menschen aus dem Ruhrgebiet und aus dem Raum Bielefeld, wo es beispielsweise Wäsche und andere Textilien gab, um die Dinge, die sie besaßen, gegen das, was wir besaßen, zu tauschen.

 

Auf dem Bahnhof in Harsum standen Waggons mit anderen interessanten Dingen. Für die Bevölkerung, die über Jahre vieles entbehren musste, war kein Risiko zu groß, um an Gebrauchsgüter zu kommen, auf die sie verzichten mussten. So wurden auch die Eisenbahnwagen aufgebrochen, und jeder nahm sich mit, was er gebrauchen konnte. Sogar Postwagen öffnete man gewaltsam. Erzählt wurde, dass Päckchen für Frontsoldaten mit Lebensmitteln oder Päckchen mit schmutziger Wäsche an die Heimatadresse auf diese Art verschwanden und in falsche Hände gerieten.

 

In Ummeln gab es Damen- und Herrenhüte und, das war in der Kriegszeit ja auch Mangelware, Schnaps. Ein Aseler Original, so wird berichtet, soll mit mehreren Hüten auf dem Kopf, Schnapsflaschen in der Tasche und mit reichlich Alkohol im Blut, aber überaus lustig und vergnügt, mit (oder auf) dem Fahrrad von seinem "Einkauf" zurückgekommen sein. Einige Bauern, die die Möglichkeit hatten, mit Pferd und Wagen zu hamstern, nutzten das natürlich weidlich aus.

 

In Hildesheim, in der Süßwarenfabrik Finzenhagen, soll es Bonbons gegeben haben. Ich war dort nicht hin. Aber aus unserem Dorf sollen mehrere dort gewesen sein, die sich mit Karamellbonbons und anderen Süßigkeiten reichlich eindeckten. In der Malzfabrik am Zimmerplatz soll es ebenfalls etwas zu hamstern gegeben haben. Zigarren und andere Rauchwaren hamsterten die Raucher. "Braunen Zucker" (noch nicht gereinigter Zucker) holten sich die Leute aus der Zuckerraffinerie Hildesheim.

 

In der Zeit, als die Lager in Hildesheim und auf den Dörfern aufgelöst und von der Bevölkerung, die sich kostenlos bediente, ausgeräumt wurden, blieb auch der Flughafen nicht verschont. Die Soldaten ließen in den Baracken Uniformen, Decken, technisches Gerät und viele andere Gebrauchsgegenstände zurück. Auch hier bediente man sich kostenlos. Eine Schreibmaschine z. B. war ein überaus begehrter Artikel. Die Uniformen, in erster Linie Mäntel, nahm man mit nach Haus, trennte die Teile auseinander, ließ sie später bei "Dankwert" in Hildesheim einfärben und schneiderte zivile Kleidung daraus. Der Selbsterhaltungstrieb des Menschen, seine Anpassungsfähigkeit, aus der Not eine Tugend zu machen, waren in dieser Zeit gefragt und halfen ihm, die Not der Nachkriegszeit zu überstehen.

 

Für die vielen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen aber kam die Stunde der Befreiung. In Asel arbeiteten sie hauptsächlich in der Landwirtschaft. Da die bäuerlichen Betriebe noch nicht so mechanisiert waren wie heute, mussten die anfallenden Arbeiten mit Pferden oder Ochsen und als Handarbeit erledigt werden. Polen und Russen, die in vielen Fällen ja auch aus der Landwirtschaft kamen, waren für unsere Bauern begehrte Arbeitskräfte. Nun hatte die Zwangsarbeit für sie ein Ende. Jetzt stellte sich aber heraus, wer sie als Arbeiter auch menschlich behandelt hatte, sie nicht geschunden und geschlagen, sondern als Mitarbeiter verstand. Es gab auch in Asel einige, die offenbar ein schlechtes Gewissen hatten, weil sie ihre Leute misshandelten. Diese " Hofherren" verschwanden plötzlich für eine geraume Zeit. In Drispenstedt hat es ein Gärtner nicht so schnell geschafft. Er lag eines Morgens erschossen im Feld.

 

Obwohl die amerikanischen Besatzungstruppen für Ruhe und Ordnung sorgten, passierte es doch, dass die ehemaligen Zwangsarbeiter sich auf unübliche Art und Weise einen Festbraten besorgten. Sie stahlen Bauern und anderen "Selbstversorgern" das Schwein vom Stall, trieben es aufs Feld, schlachteten es und versorgten sich mit Fleisch und Speck. Die Eingeweide und die für sie unbrauchbaren Teile ließen sie achtlos liegen.

 

Eine Situation ist mir noch gut in Erinnerung: Offenbar stark angetrunkene Polen versuchten am hellen Tage in ein Haus einzudringen, um sich gewaltsam zu bedienen. Von Einwohnern wurden die neuen "Ordnungskräfte" informiert, und die kamen in einem Jeep angebraust, sprangen aus ihrem Fahrzeug, luden die Gewehre durch und brachten sie in Anschlag. Das war den Räubern dann doch zu riskant, um weiterzumachen. Sichtlich beeindruckt ergaben sie sich und zogen ab. Ob sie später diszipliniert wurden, weiß ich nicht.

 

Rauben und Plündern durch ehemalige Zwangsarbeiter waren in dieser Zeit keine Seltenheit. Relative Ordnung kehrte erst ein, als die Besatzungs- und Verwaltungshoheit an die Engländer überging und diese dann auch die Ordnungskräfte stellten bzw. einsetzten.

 

Verlassenes Kriegsgerät

Nach den Anfangserfolgen der Deutschen Luftwaffe stellte sich im Laufe des Krieges heraus, dass die Alliierten die Luftüberlegenheit übernommen hatten. Die Deutsche Luftwaffe geriet ins Hintertreffen. Um der gegnerischen Luftüberlegenheit auf dem Militärflughafen Hildesheim keine Ziele zu bieten, errichteten Soldaten der Baukompanie Unterstellboxen in der Feldmark bis hin zum Harsumer Holz. Gut getarnt, so hoffte man, seien sie vor Beschuss sicher. Bevor nun die Amerikaner Hildesheim erreichten, hätten ja die verbliebenen Piloten mit ihren Maschinen verschwinden und sich in Sicherheit bringen können. Nein, sie taten es nicht oder durften es nicht. Offensichtlich interessierte sich niemand dafür. Man ließ alles liegen und stehen und versuchte, das eigene Leben zu retten. Die Maschinen aber blieben hier stehen als Überbleibsel des Krieges. Ob es sich um einsatzbereite Maschinen handelte, ist unbekannt. Sie waren aber betankt und zum Teil munitioniert. Neugierig untersuchten wir die Innenausstattung mit den Bedienteilen und Instrumenten. So etwas hatten wir ja noch nie gesehen, und so bestaunten wir die Dinge, von denen wir gehört hatten, die wir aber nie zu Gesicht bekamen.

Für die Treibstofftanks, vor allem für den Inhalt interessierten sich Leute, die in irgendeiner Form motorisiert waren. Sie füllten den Treibstoff in mitgebrachte Kanister ab und versorgten sich auf diese Weise kostenlos.

 

Vollständigkeitshalber soll aber auch über das überaus gefährliche Spiel mit anderem Kriegsgerät berichtet werden:

Zur Abwehr gegnerischer Flugzeuge und zum Schutz der Flughafenanlagen installierten kurz vor Kriegsende Soldaten der Deutschen Wehrmacht in Flughafennähe "Vierlings - Flaks" (Flak = Fliegerabwehrkanone). In ausgehobenen Erdbunkerstellungen standen diese Zwei - Zentimeter - Abwehrgeschütze, und in den Bunkernischen befand sich reichlich Munition dafür. Es handelte sich hauptsächlich um Leuchtspur- aber auch Sprengmunition. Die Leuchtspurköpfe schlugen wir gegen die Stützbalken, um sie von der Kartusche zu lösen. In der Kartusche befanden sich nämlich Pulversäckchen, und die wollten wir haben. Wir zogen also die losen Leuchtspur- bzw. Sprengköpfe ab und holten die Pulversäckchen aus der Kartusche, banden die Säckchen zu und steckten sie in die Hosentasche. Mit prall gefüllten Taschen schlichen wir nach Haus. Denn unter keinen Umständen durften wir uns von den Amerikanern erwischen lassen. Zu Hause angekommen legten wir die Pulversäckchen zusammen auf die Erde eines freien Platzes, streuten eine Pulverspur und zündeten die Spur an. Eine riesengroße Stichflamme, über die wir uns dann doch erschraken, war das Ende der Aktion. Das Schimpfen der Erwachsenen steckten wir einfach weg.

 

Eine andere gefährliche Dummheit begingen wir im Aseler Holz. Dort lagen Karabiner in großen Mengen herum. Die letzten deutschen Soldaten, die für die Verteidigung zusammengezogen waren, für die der Krieg aber nun beendet war, ließen ihre Gewehre zum Teil mit abgeschlagenem Schaft liegen.

In Kriegsberichten hörten wir Jungen schon mal von "Rohrkrepierern". Das wollten wir nun selbst einmal ausprobieren. In den Lauf eines Karabiners stopften wir Erdreich, kleine Steine und das, was wir so fanden und was in den Lauf passte. Diesen so präparierten Karabiner befestigten wir an einem Baum, führten eine Patrone in die Kammer und verriegelten sie mit dem Schloss. Zuvor aber befestigten wir eine lange Schnur am Abzug, denn wir hatten ja Angst, den Abzug mit dem Finger zu betätigen. Aus einer sicheren Entfernung zogen wir dann an der Schnur und lösten den Schuss aus. Mit einem fürchterlichen Knall brach der Schuss und natürlich auch der Lauf. Er war wirklich auf einer Länge von acht bis zehn Zentimetern aufgeplatzt. Wir hatten nun  unsere Bestätigung.

 

Es dauerte noch viele Wochen und Monate, bis die Normalität und das halbwegs geordnete Leben unseren Alltag bestimmte. Nach der Eroberung durch die Amerikaner übernahmen die Engländer als Besatzungsmacht Niedersachsen. Sie ordneten auch das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben bei uns. Der Schulbetrieb z. B. setzte wieder ein. Unser Lehrer Eckstein gab sich große Mühe, die Lerninhalte weiter zu entwickeln, um uns auf den Schulabschluss vorzubereiten.

 

 

Die Lebensmittelversorgung entsprach zwar nicht den Bedürfnissen, wurde aber weiterhin gesteuert durch den Bezug von Lebensmittelmarken. Zeitweise - und daran können sich sicherlich noch einige erinnern - bekamen unsere Bäcker anstatt Weizen- bzw. Roggenmehl Maismehl. Unser Brot sah dann aus wie Topfkuchen. Wir nahmen diese Einschränkung hin, denn es ging ja ums Über- und Weiterleben.

 

Öffentliche Veranstaltungen bedurften der Genehmigung durch die Besatzungskommandantur. So z. B. das erste Kreisturnfest 1946 in Harsum. Das Vereinsleben - es wurde peinlich genau überwacht - begann sich wieder zu entwickeln. In Asel formierte sich der Turnverein wieder und begann mit regelmäßigen Übungsstunden. Der Gesangverein bemühte sich um seine Mitglieder und das Gefühl, die Freiheit zurück gewonnen zu haben, erfüllte alle mit großer Genugtuung. Der Krieg war vorbei und das Leben konnte wieder neu beginnen.

 

 

Mein Kriegsende in Asel  1945

von Mia Brenneisen, geb. Eckstein

 

Die Ostertage 1945 verliefen noch ohne Zwischenfälle. Am 3 Ostertag musste sich mein Vater zu einer „kurzfristigen Übung“ stellen. Wir ahnten nichts Gutes. Täglich rückte die Front näher, täglich kamen fliehende Soldaten durch Asel. Am 6. April musste mein Vater mit dem Volkssturm als Sanitäter ausrücken und zwar, gen Westen, der Front entgegen. Am Freitagabend begannen die Sprengungen auf dem Flughafen. Der Drahtfunk meldete abends feindliche Panzerspitzen zwischen Hameln und Hildesheim. In der Nacht zum 7. April legten wir uns noch einmal oben ins Haus zum Schlafen hin. Die Nacht war noch ruhig. Morgens  um 7 Uhr gab es plötzlich zweimal einen furchtbaren Knall: Die Munitionsfabrik von Clauen war gesprengt. Im Laufe des Morgens und Nachmittags wurden auch die Kanalbrücken gesprengt. Gegen Mittag begann der Artilleriebeschuss. Die deutschen Soldaten waren zwischen Asel und dem Flughafen an der Bahn in Stellung gegangen und erwiderten das Feuer. Am Nachmittag ließ der Beschuss etwas nach, und da „beharkten“ uns dann die feindlichen „Jabos“ (Jagdbomber). Nach diesem Tieffliegerangriff war Asel voll von deutschen Soldaten. Verwundete wurden uns in die Schule gebracht. Zum Glück hatte uns mein Vater Verbandsstoff hier gelassen.

Für die Nacht zum Sonntag, 8. April, hatten wir uns unten im Keller eingerichtet. Auf dem Chaise in der Waschküche schliefen die Kinder Peter, Hubert und Trudi; Liesel hatten wir im Waschkorb zum Schlafen gelegt (Verwandte aus Hildesheim).Mit der Dunkelheit begann auch wieder der Beschuss. Wir hatten gerade in der Küche einen Rosenkranz gebetet, da ging plötzlich die Haustür auf, und mein Vater stand vor uns, kaum zu erkennen. – Nachdem er sich im Keller, in den wir uns inzwischen eingerichtet hatten, etwas beruhigt hatte, erzählte er uns von seinen Erlebnissen. Seit dem 7. April bekam der Volkssturm keine Befehle mehr vom Kreisleiter. Er war geflohen. Mein Vater machte ein Gefecht am Heidekrug mit. Mehrere seiner Kameraden fielen. Gegen Abend gab Dr. Osterwald, meines Vaters Vorgesetzter, bekannt, dass der Volkassturm aufgelöst sei. Mein Vater ging noch bei Verwandten auf dem Moritzberg vorbei und machte sich auf den Weg nach Asel. Hildesheim war am Sonnabend kampflos von den Amerikanern eingenommen. Mein Vater dachte, auch Asel sei bereits von den Amerikanern eingenommen und kam bis Drispenstedt, wo er von deutschen Soldaten gefasst wurde. Er sollte als Fahnenflüchtiger erschossen werden. Nach dreistündigem Verhör  durfte er weitergehen. - - Die Nacht verlief ruhig. Gegen Morgen konnten wir etwa 2 Stunden im Wohnzimmer schlafen. Vom Weißen Sonntag merkten wir nichts, es gab nicht einmal eine Messe.

 

Am Nachmittag wurde unser Haus von fünf SS-Soldaten bestürmt, die schrieen: „2 km von hier die Amerikaner!“ Sie wollten Zivilzeug haben. Als mein Vater sie zurückdrängen wollte, setzte ihm einer einen Revolver auf die Brust, während die anderen die Anzüge aus dem Schrank holten.

Danach erlebten wir einen schweren Tieffliegerangriff, der wohl hauptsächlich dem Flughafen galt. Die SS-Soldaten hatte man inzwischen im Aseler Walde gefasst. Wir bekamen das Zivilzeug zurück.

 

Abends  wehten in Harsum, Borsum, Drispenstedt die weißen Fahnen. Der Kommandant von Asel, ein junger Leutnant, wollte Asel bis zum letzten Mann verteidigen. Wir erlebten eine schlimme Nacht.

 

Am Morgen des 9. April, Montag, zogen die ersten amerikanischen Panzer durch Asel. Wir atmeten auf.

Am Dienstagabend (17. April) durchwühlten dann 7 Amerikaner unser Haus und nahmen allerlei mit, u.a. eine Meerschaumpfeife und ein großes goldenes Kreuz von meiner Großmutter.

Am 2. Pfingsttag mussten wir innerhalb einer Dreiviertelstunde unser Haus für den amerikanischen Kommandanten von Asel räumen. Wir hausten dann 9 Tage auf Stroh in der Schule. Danach begann das große Aufräumen!!!

 

Zusammengetragen und aufgeschrieben von

Aloys Köhler